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MENSCHLICHE DENKFALLEN UND WIE SIE ORDNUNG VERHINDERN KÖNNEN


Eine weiblich gelesene Person sitzt erhöht und blickt auf das Meer und den Sonnenuntergang

Niemand ist vor ihnen gefeit. Sie betreffen unsere Wahrnehmung und unser Handeln, die sich nicht immer mit der Realität und Logik decken. Die Rede ist von menschliche Denkfallen, auch kognitive Verzerrungen genannt. Das sind bestimmte Muster, die zwar eine gewisse Funktion erfüllen und sich dadurch erklären lassen. Gleichzeitig sind sie weder realistisch noch hilfreich für uns.


Einer Information nur deshalb zu glauben, weil wir sie sehr oft hören, macht sie nicht wahr. Mit eigenem Kinderwunsch plötzlich unzählige Schwangere oder Menschen mit Kinderwägen zu sehen, erhöht nicht deren Anzahl. Weil wir heute schlecht in den Tag gestartet sind, heißt das nicht, dass der ganze Tag im Eimer ist. Trotzdem tappen wir immer wieder in diese Denkfallen.


Auch wenn es darum geht, uns von Dingen zu trennen sowie Ordnung zu schaffen und zu halten, können wir häufig die Muster von Denkfehlern erkennen. Wie das geht und wie wir es schaffen, diesen dann nicht mehr zum Opfer zu fallen, sondern sie vielleicht sogar für uns zu nutzen, das möchte ich im Folgenden an einigen Beispielen zeigen. Sicherlich wirst du dich in einigen wiederfinden. Zumindest ging es mir in der Recherche so, dass ich dachte: "Oh ja, das kenne ich gut."


ADDITIVE VERZERRUNG (ENGL. ADDITIVE BIAS)


Um eine bestimmte Problemstellung zu lösen, fügen wir tendenziell eher etwas hinzu, anstatt etwas wegzulassen. Bei diesem Phänomen denken wir also erst mal, dass uns etwas fehlt und wir etwas brauchen. In der Forschung wird vermutet, dass unser Gehirn das Weglassen nicht mag, es liegt also instinktiv nicht in unserem Vorstellungsvermögen.


Wenn es z. B. um das Thema Stress geht, denken wir häufig, es bräuchte einen Yogakurs oder eine Entspannungstechnik, anstatt an den Ursachen zu arbeiten und dafür zu sorgen, Stress zu reduzieren.


Was das Thema Ordnung angeht, sorgt die additive bias dafür, dass sich überhaupt erst zahlreiche Dinge in unserem Zuhause ansammeln, von denen wir denken, dass sie uns das Leben erleichtern. Das wird uns in der Werbung auch suggeriert: "Kaufe Produkt X, um Problem Y zu lösen und es wird dir besser gehen!"


Das Weglassen wird uns also noch schwerer gemacht. Und obwohl ich folgenden Impuls nachvollziehen kann, schlage ich innerlich die Hände vors Gesicht. Manche Menschen schaffen vor dem Ordnungsprozess Ordnungshelfer wie z. B. Boxen an. Sie fügen also etwas hinzu und denken, dass das für die Lösung des Problems zuträglich wäre.


Stattdessen ist meist ein Zuviel ursächlich und daher wäre eine Reduktion, also etwas wegzunehmen, die Lösung für Chaos und Unordnung. Anstatt also Kisten zu kaufen, wäre das Aussortieren die bessere Wahl. Ob und welche Ordnungshelfer dann noch nötig sind, lässt sich dann immer noch herausfinden.


Wenn den Proband*innen einer Studie vorher gesagt wurde, dass sie Dinge auch weglassen können, haben diese auch vereinfachte Lösungsstrategien angewandt. Daher ein neuer Glaubenssatz für unser Gehirn: Wir können Unordnung auch (und sogar besser) beseitigen, in dem wir etwas weglassen bzw. wegnehmen. Es klappt wirklich, versprochen.


PLANUNGSFEHLSCHLUSS (ENGL. PLANNING FALLACY)


Der Planungsfehlschluss beschreibt die Tendenz, falsch einzuschätzen, wie viel Zeit die Vollendung einer Aufgabe benötigt. Das kennen wir doch alle, oder? Wir halsen uns grundsätzlich zu viele Aufgaben und Projekte auf und stellen meist fest, dass der Tag noch einige Stunden mehr bräuchte, um diese zu bewältigen.


Zum einen sind wir es gewohnt, ein immer höheres Pensum für normal zu halten. Zum anderen spielt Wunschdenken hier eine große Rolle, sodass wir meist zu optimistisch sind. Das betrifft auch Vorhersagen anderen gegenüber, denen wir dann versichern, eine bestimmte Aufgabe in einer gewissen Zeit erledigt zu haben.


Das Problem an der Sache ist, dass wir aus diesen Fehleinschätzungen meist nicht lernen und unser Urteilsvermögen daher auch nicht infrage stellen. Wir sind also immer wieder viel zu optimistisch und wünschen uns, Dinge schnell zu schaffen, obwohl wir eigentlich immer wieder merken, dass es dann doch nicht funktioniert.


Wenn wir eigenständig versuchen, auszumisten und Ordnung zu schaffen, fehlt uns auch da eine realistische Einschätzung, wie lange welches Vorhaben dauern könnte. Das führt dazu, dass wir viel zu ambitioniert Schränke und Schubladen ausräumen und dann feststellen, dass wir nicht nur überfordert damit sind, sondern es viel länger dauert, alle Dinge nacheinander durchzugehen und eine Entscheidung zu treffen.


Das mündet wiederum darin, dass die offene Dinge liegenbleiben und sich das Chaos eher noch verschlimmert, weil die Hürde noch höher ist, es erneut anzupacken. Wenn wir stattdessen ganz klein anfangen und eher mehr Zeit für eine bestimmte Aufgabe einplanen, ist es wahrscheinlicher, dass wir diese auch beenden können.


Die Zuhilfenahme eines Ordnungscoaches wäre ebenfalls eine Option, mit der das Ausmisten und Ordnungschaffen strukturiert und systematisch angegangen werden kann.


SCHWARZ-WEIß-DENKEN (ENGL. BLACK AND WHITE THINKING)


Bei dieser Denkweise sehen wir Dinge in strengen, absoluten Kategorien. Hier einige Beispiele:

  • richtig oder falsch

  • ganz oder gar nicht

  • Erfolg oder Scheitern

  • gut oder schlecht


Anstatt Situationen, Ideen und Menschen als komplex und auf einem Spektrum anzusehen, gibt das Schwarz-weiß-Denken nur das eine oder andere Extrem her. Schon Sätze wie "Ich werde es niemals schaffen" oder "Jedes Mal, wenn ich es versuche, klappt es nicht" entstammen dieser kognitiven Verzerrung.


Wir alle kennen solche Sätze und die damit verbundene Denkweise. Sie führt letztlich zu Limitierung, auch wenn unser Gehirn versucht, die Dinge in unserer komplexen Welt dadurch leichter zu machen.


Auch Perfektionismus hängt mit diesem Denken zusammen. Zu hohe Ansprüche münden selten in eine hilfreiche Aktivität, sondern können bspw. dazu führen, dass wir aus Angst, etwas "Falsches" zu tun oder nicht die perfekte Lösung zu finden, gar nicht erst mit etwas anfangen.


"Was ich mache, muss perfekt sein oder ich lasse es ganz", könnte ein verinnerlichter Glaubenssatz sein. Dieser führt aber eher zum Verharren und verhindert einen offenen und klaren Blick auf Handlungsmöglichkeiten und andere mögliche Wege zu einer Verbesserung. Egal wie groß diese dann ist, es wäre eben eine Verbesserung und es ließe sich von dort aus weiterschauen.


Es fehlen die Balance und ein realistisches Denken, mit denen nachhaltige Entwicklung möglich wäre. Wenn wir etwas in unserem Leben verändern wollen, ist es die Frage, ob das mit Ganz-oder-gar-nicht-Denken passiert oder ob diese Veränderung in (kleinen) machbaren Schritten vollzogen wird. Beim der ersten Variante ist wenig Spielraum und Flexibilität vorhanden, was dazu führen kann, dass nach dem "Ganz" auch wieder das "Gar nicht" folgt.


Die Hürde, etwas durchzuhalten, ist entsprechend zu hoch und letztlich erreichen wir damit nichts. Anders wäre es, wenn wir ein gesundes Gleichgewicht finden, etwas das zwischen Perfektion und keiner Veränderung liegt, eben irgendwo auf dem Spektrum. Wenn es um das Thema Ordnung geht, dürfen wir es als einen Prozess sehen und diesem vertrauen - "Trust the process", heißt es doch so schön.


Wir machen uns von unserer Ausgangslage auf den Weg und anstatt direkt zum Ziel springen zu wollen, was unmöglich ist, gehen wir Schritt für Schritt und können die Wahrscheinlichkeit, sicher zu unserem Ziel zu gelangen, deutlich erhöhen.


Wer von sich erwartet, dass ihre*seine Wohnung wie in einem Hochglanzmagazin oder wie auf Instagram aussieht, wird sich schwertun, mit kleinen Fortschritten zufrieden zu sein oder überhaupt anzufangen. Ordnung ist individuell und es geht dabei weniger um Perfektion, sondern mehr darum, sich wohlzufühlen.


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UNTERLASSUNGSEFFEKT (ENGL. OMISSION BIAS)


Bei dieser Tendenz werden die Risiken eines Handelns überbewertet und die Risiken des Nichthandeln unterschätzt. Wir entscheiden uns oft fürs Nichthandeln, weil es scheinbar mit weniger Risiko verbunden ist. Diese menschliche Denkfalle hat den Sinn, uns zu schützen. Außerdem kann sie damit erklärt werden, dass Handlungen häufig härter sanktioniert werden als Unterlassungen, auch wenn die Konsequenzen beider Verhaltensoption die gleichen sind.


Wir schätzen die Verantwortung für ein negatives Resultat, dass wir selbst eingeleitet haben, größer ein als die Verantwortung für ein negatives Resultat, das wir lediglich nicht verhindert haben. Verrückt, oder?


Wenn es darum, dass wir Ordnung schaffen wollen, kann uns diese kognitive Verzerrung im Weg stehen, denn wenn wir uns von einigen Dingen trennen, ist das ein Risiko, in das wir uns begeben. Aber ist es das wirklich?


Zu lange in unvorteilhaften Situationen zu verharren, ist wenig sinnvoll, weil es sozusagen ein Risiko ist, dass wir bereits in Kauf genommen haben. Die Folgen des Nichthandelns hingegen unterschätzen wir oder blenden sie gar aus.


Für eine aktive Handlung müssen wir Verantwortung übernehmen. Und die Verantwortung scheuen wir allzu gerne, weil wir aus dem Blick verlieren, dass unsere aktuelle Situation gar nicht besser ist. Wenn es uns schlecht geht, weil wir im Chaos leben, ist es durchaus ein größeres Risiko so weiterzuleben, weil wir damit unser weiteres Wohlbefinden riskieren.


IST-ZUSTAND-VERZERRUNG (ENGL. STATUS QUO BIAS)


In eine sehr ähnliche Richtung geht es, wenn wir den aktuellen Zustand gegenüber einer Veränderung bevorzugen. Das kann einfach durch Untätigkeit oder durch die Festlegung einer früher getroffenen Entscheidung passieren.


Auch hier wollen wir ein mögliches Bedauern einer neuen Entscheidung vermeiden und wählen die altbekannte, wenn auch schlechtere Option, weil wir die Ungewissheit nicht mögen. Sicheres, Bekanntes wird vorgezogen.


Weil wir Verluste vermeiden wollen (diese Einstellung wird uns noch in anderen Beispielen begegnen), fehlt uns der Blick für das, was wir als neuen Zustand gewinnen können. Wird dieser dann nicht sogar besser sein als der Ist-Zustand?


DEFAULT-EFFEKT (ENGL. DEFAULT EFFECT)


Bei diesem Phänomen neigen wir dazu, voreingestellte Optionen oder Entscheidungen zu bevorzugen oder beizubehalten, anstatt alternative Optionen zu evaluieren. Das bedeutet, dass wir meist dem zustimmen, für das wir nichts weiter tun müssen.


Wie bei anderen menschlichen Denkfallen steckt auch hier eine Funktion dahinter. Es ist nämlich eine Maßnahme des Gehirns, um Energie zu sparen. Und ja, in vielen Situationen ist der Autopilot auch extrem sinnvoll für uns.


Wenn wir aber nur dem einfachsten Weg folgen, auch wenn eine andere Entscheidung sinnvoller wäre, dann beschneiden wir uns damit selbst. Ein Satz, den viele kennen, lautet in diesem Zusammenhang: "Das war schon immer so."


Ein kleines, dafür sehr prägnantes Beispiel in Bezug auf das Thema Ordnung ist der Besteckeinsatz in der Küchenschublade. Meist aus Kunststoff und mit groben Fächern ausgestattet soll er unser Besteck sowie Kochutensilien unterteilen. Wir übernehmen ihn ohne Hinterfragen, weil er halt beim Küchenkauf oder der Wohnungsübernahme dabei ist.


Aber früher oder später merken wir unterbewusst, dass dieser Einsatz eigentlich nicht zu unseren Bedürfnissen passt. Wir nehmen aber keine Anpassungen vor, obwohl sie uns den Alltag im Haushalt erleichtern würden. Anstatt ein vorhandenes Ordnungssystem zu nutzen, wäre es besser, ein individuelles zu erstellen.


Ähnlich ist es mit der Süßigkeiten-Schublade, die wir schon immer im obersten Fach haben und deshalb die ganze Zeit im Autopiloten reingreifen, obwohl wir uns eigentlich gesünder ernähren wollen.


Mit dem Wählen von voreingestellten Optionen tun wir uns also nicht immer einen gefallen. Statt der erstbesten Lösung oder dem einfachsten Weg, die uns für die Füße geworfen werden, könnten wir den Default-Effekt für uns arbeiten lassen, indem wir andere Möglichkeiten wählen. Statt der Süßigkeiten-Schublade könnten wir uns eine Müsli-Bar in prominenter Lage einrichten. Der Aufwand lohnt sich, weil es danach besser zu uns passt.


VERSUNKENE-KOSTEN-FALLE (ENGL. SUNK COST FALLACY)


Versunkene Kosten sind all jene Ausgaben, die nicht mehr zurückgeholt werden können. Bei der sunk cost fallacy halten wir an einer früher getroffenen Entscheidung auf der Grundlage von investierten Ressourcen (Geld, Zeit, Mühe o. Ä.) fest, obwohl sich diese als falsch oder ineffektiv erwiesen hat. Trotz dieser Tatsache hängen wir daran.


Eine Entscheidungsfalle, die wir alle kennen. Es kann das Weiterschauen eines langweiligen Films sein, für den wir bezahlt haben. Oder eben auch wenn wir beim Ausmisten auf das eine Haushaltsgerät stoßen, das mal teuer war. Anstatt uns einzugestehen, dass es eine Fehlinvestition war, räumen wir der Sache weiterhin wertvollen Stauraum ein und belasten uns mit dem schlechten Gewissen.


Es geht uns also weiter schlecht damit und wir treiben uns vielleicht sogar weiter in den Verlust (damit kann auch die mentale Gesundheit gemeint sein), obwohl wir logisch denken und handeln könnten. Das Geld ist schließlich bereits weg und kommt nicht mehr zurück. Dieses fatalistische Vorgehen, was tief in unserem menschlichen Verhalten verankert ist, widerspricht ganz einfach der Logik. Das liegt u. a. daran, dass wir - wie weiter oben bereits erwähnt - Verluste vermeiden wollen. Dazu komme ich gleich noch ausführlicher.


Aber an dieser Stelle spielt die Bewertung auch eine Rolle. Sehe ich das Scheitern als Niederlage an, bin ich weniger offen für eine Perspektive und der Fokus liegt eher auf der negativen Seite. Sehe ich es hingegen als Lernerfahrung, die mich weiterbringt, ist das sogar ein Erfolg und ich kann damit abschließen. Ebenso spielen ein unrealistischer Optimismus genau wie der Versuch, nicht verschwenderisch zu erscheinen, eine Rolle.


Anstatt ein gescheitertes Projekt fortzusetzen, in das wir weiterhin unsere Aufmerksamkeit, Energie und womöglich Geld reinstecken, könnten wir es besser beenden und Schadensbegrenzung betreiben. Das sinkende Schiff würden wir schließlich auch noch rechtzeitig verlassen und nicht mit ihm untergehen wollen.

Meist fällt es uns leicht, wenn wir bei einer solchen Entscheidung nicht in der Verantwortung sind. Oder welchen Rat würdest du einer anderen Person geben?


VERLUSTAVERSION (ENGL. LOSS AVERSION)


Da ich sie eben bereits erwähnt habe, komme ich nun zu unserer Abneigung gegen Verluste. Das bedeutet, dass Verluste für uns stärker wiegen und sie uns länger beschäftigen als Gewinne. Das führt allerdings dazu, dass wir sie um jeden Preis vermeiden wollen und dadurch irrational handeln. Denn wir vermeiden zwar Risiken, diese sind allerdings überschaubar, auch wenn wir das häufig nicht glauben (Stichwort: Unterlassungseffekt). Und als Konsequenz verpassen wir dadurch wichtige Chancen.


Dass das Streben nach Verlustvermeidung größer ist als das Streben nach Gewinnen, zeigt sich auch in der Schwierigkeit, Dinge auszusortieren. Anstatt sich von etwas zu trennen, was nicht mehr gebraucht wird und dadurch mehr Raum, Zeit und Ordnung zu gewinnen, haben wir irrational große Sorgen vor dem Verlust und malen uns aus, was wir doch alles mit dem Gegenstand tun könnten.


BESITZTUMSEFFEKT (ENGL. ENDOWMENT EFFECT)


Eng mit der Verlustaversion in Verbindung steht auch der Besitztumseffekt. Bei dieser kognitiven Verzerrung bewerten wir eine Sache wertvoller, sobald wir sie besitzen. Wir gewöhnen und an den Besitz und entwickeln eine emotionale Bindung, was dazu führt, dass die materielle Bedeutung steigt.


Genau da kommt auch wieder die Verlustaversion ins Spiel, da die Angst vor Verlust diese höhere Bewertung begünstigt. Schon allein wenn wir Möbel eigenhändig zusammenbauen, steigert das unsere Wertschätzung dafür und wir erwarten, dass andere dies ebenso sehen.


Die Bewertung findet also nicht auf Basis des tatsächlichen Preises statt, sondern auf Basis der persönlichen Bindung - man spricht auch vom ideelen Wert. Das kann auch beim Ausmisten ein Problem darstellen. Wenn wir etwas als wertvoller einschätzen als es dem Markt zufolge tatsächlich ist, können wir unsere aussortierten Dinge nicht verkaufen, weil wir unmöglich den Preis bekommen können, für den wir es einschätzen.


NACHTRÄGLICHE BEGRÜNDUNGSTENDENZ (ENGL. POST-PURCHASE RATIONALISATION)


Warum wir uns schwer von Dingen trennen können, kann auch daran liegen, dass wir der nachträglichen Begründungstendenz erlegen sind, bei der wir uns besonders die weniger sinnvollen Käufe im Nachhinein schön zu reden versuchen. Infolgedessen kann es nicht oder nur eingeschränkt zu der Einsicht kommen, etwas erworben zu haben, das schlichtweg ein Fehlkauf war.


Stattdessen rationalisieren und rechtfertigen wir unsere Entscheidung hinterher mit Pseudobegründungen. Wenn wir weiterhin von der Richtigkeit solcher Käufe überzeugt sind, kann keine Veränderung passieren, denn die realistische Einschätzung fehlt.


RÜCKSCHAUFEHLER (ENGL. HINDSIGHT BIAS)


"Ich hab's doch gewusst!", ist ein klassisches Beispiel, wenn es darum geht, ein Ereignis rückblickend als vorhersehbar anzusehen, auch wenn das ursprünglich gar nicht möglich war.


Wenn wir etwas aussortieren, bei dem wir uns schwertun - was nicht selten ist - dann kommt es vor, dass wir überlegen, warum wir es doch aufheben sollten und finden möglicherweise auch einen Verwendungszweck. Es reicht aber auch schon der Satz: "Das könnte ich ja vielleicht noch mal brauchen."


Und wenn wir uns in der Vergangenheit von etwas getrennt haben, was wir zu einem späteren Zeitpunkt doch noch mal gebraucht haben, dann reden wir uns ein, dass wir es doch hätten vorhersehen können. Dass es unmöglich ist, in die Zukunft zu schauen, blenden wir aus.


Diesen Rückschaufehler nehmen wir mit in kommende Entscheidungen. Nämlich dann, wenn wir denken, wir könnten entscheiden, was zukünftig noch gebraucht wird. Er limitiert uns, weil er es erschwert, dass wir uns von Ballast befreien.


Wenn wir von 50 aussortierten Dingen irgendwann später (das kann auch erst Jahre später sein) doch eins benötigen, können wir dieses mit Leichtigkeit wiederbeschaffen. Wir können uns in der Zwischenzeit über den gewonnen Raum und das Leben im Hier und Jetzt freuen, ohne uns mit diesen 50 Sachen für mögliche Eventualitäten zu rüsten. Denn so stellen wir uns die Wohnung, den Keller, den Dachboden und die Garage mit Zeug voll.


WAHRSCHEINLICHKEITSVERNACHLÄSSIGUNG (ENGL. PROBABILITY NEGLECT)


Diese beschreibt das Phänomen, Ereignisse mit geringer Wahrscheinlichkeit viel zu hoch einzuschätzen. Das wahrscheinlich prominenteste Beispiel ist das Thema Flugangst, von der ca. 15 % aller Menschen betroffen ist. Und das obwohl Statistiken zufolge die Wahrscheinlichkeit eines Flugzeugabsturzes bei 0,00001 % liegt. Ich finde sowas unglaublich faszinierend.


Etwas weniger krass ist diese Tendenz beim Ausmisten ausgeprägt. Selbst bei einem seit Jahren im unausgepackten Karton vergessenen und damit nicht benötigten Gegenstand kann es dazu kommen, dass wir übermäßige Sorge davor haben, uns davon zu trennen.


Es ist natürlich nicht unmöglich, dass wir ihn noch mal irgendwann gebrauchen können. Gleichzeitig ist es enorm unwahrscheinlich, sodass wir uns damit viel leichter tun könnten und unsere Aufmerksamkeit auf und unseren Raum für andere Dinge nutzen könnten.


WIE KÖNNEN WIR ES VERMEIDEN, IN DIE FALLEN ZU TAPPEN?


Wie du siehst, sind wir einer Vielzahl kognitiver Verzerrungen ausgeliefert und ich vermute, du hast dich auch an der einen oder anderen Stelle selbst wiedererkannt. Aber was können wir jetzt daraus mitnehmen? Und was können wir tun, um zu vermeiden, in diese Denkfallen zu tappen?


Schon allein das Wissen darum, dass es diese Denkmuster gibt und wie sie ablaufen, kann uns helfen. Denn es führt dazu, dass wir sie uns bewusst machen. Bei allen beschriebenen Beispielen kann dann ein kurzes Innehalten dafür sorgen, das entsprechende Bewusstsein zu schaffen, mit dem wir kognitiven Verzerrungen weniger zum Opfer fallen oder schnell den Weg zu anderen Gedanken finden.


"Achtsamkeit hilft uns, den Unterschied zwischen dem, was los ist, und dem, was wir uns erzählen, was los ist, zu erkennen." Sharon Salzberg

Das ist ein Prozess und dieser beinhaltet, dass die Entwicklung nicht linear verläuft, sondern dass es auch mal Rückschritte gibt. Und dennoch hilft jeder Moment der Achtsamkeit. So können wir es schaffen, offenere und unterstützendere Gedanken zu haben, freier, flexibler und selbstwirksamer zu leben, uns weiterzuentwickeln und auch mehr Ordnung in unserem Zuhause zu schaffen.


FAZIT


Die allermeisten kognitiven Verzerrungen lassen sich erklären und haben/hatten eine Funktion. Dass diese nicht immer hilfreich oder noch zeitgemäß ist, hilft uns nur begrenzt. Erst ein achtsames Mindset hilft bei der Bewusstmachung, dass und auf welche Weise menschliche Denkfallen existieren. Es kann dafür sorgen, dass wir aus den limitierenden und eingefahrenen Mustern aussteigen und neue Wege hin zu persönlicher Weiterentwicklung beschreiten können.


Wir können Dinge loslassen, die uns (in der Vergangenheit) festhalten, die unsere Energie rauben und die dafür sorgen, dass wir uns unwohl, überfordert und gestresst fühlen. Wir können endlich Ordnung schaffen, um uns freier und energetisierter zu fühlen und mehr das Leben zu führen, das wir uns eigentlich wünschen.


Wenn dir dieser Artikel gefallen hat, würde ich mich freuen, wenn du ihn an eine Person weiterleitest, von der du glaubst, dass es für sie interessant sein könnte.







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